Mit viel persönlichem Einsatz gelingt die Integration von Azubis aus Drittstaaten auch in kleinen Betrieben
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Sechs junge Erwachsene aus Mosambik sind im September 2023 in sechs Unternehmen der Baubranche im Kreis Borken in ihre Ausbildung gestartet. Durch viel persönliches Engagement verschiedenster Akteure im Kreis Borken und die Zusammenarbeit zwischen dem Verband BAUVERBÄNDE.NRW, dem Goethe-Institut und der PASCH-Initiative des Auswärtigen Amtes wurde dies möglich.
Von der Initialzündung zum Pilotprojekt
Schon vor einigen Jahren hatte BAUVERBÄNDE.NRW erste Überlegungen angestellt, um kleine Baufirmen mit weniger als 20 Mitarbeitenden bei der Nachwuchssicherung zu unterstützen. „Der Zuzug von
Fachkräften aus dem osteuropäischen Markt, der bis dato gut funktioniert und sich bewährt hatte, ist mittlerweile ausgeschöpft“, erklärt Maike Rödelbronn, Leiterin der Abteilung Berufsbildung von
BAUVERBÄNDE.NRW, und ergänzt: „Unser Verband setzt seit 20 Jahren Projekte in der Entwicklungsarbeit um und verfügt über entsprechende Netzwerke in Afrika, auf die wir zugegangen sind.“ Aus der
Initialzündung und weiteren Überlegungen startete der Verband gemeinsam mit dem Goethe-Institut, das unter anderem die Spracharbeit an PASCH-Schulen leistet, ein Pilotprojekt. Die Initiative
PASCH vernetzt weltweit mehr als 2000 Schulen, an denen Deutsch einen besonders hohen Stellenwert hat. Die PASCH-Partner beraten Schulleitungen, Ministerien und Schulen bei der Entwicklung des
Deutschunterrichts. Entsandte Expertinnen und Experten der PASCH-Partner betreuen die Schulen vor Ort und unterstützen beim Ausbau des Deutschunterrichts.
Spezielles Bauwissen
An der PASCH-Schule in Beira, Mosambik, lernen junge Menschen Deutsch und machen gleichzeitig einen Schulabschluss mit technischem Schwerpunkt. So bringen sie neben ersten Sprachkenntnissen auf
A2-Level auch fachliches Wissen im Bauwesen mit. Eine Aussicht auf einen Arbeitsplatz und die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt in Mosambik bestreiten zu können, bietet der kleine Arbeitsmarkt
in dem afrikanischen Land eher nicht. „Viele Ingenieure sitzen im Supermarkt an der Kasse“, berichtet Maike Rödelbronn. Deswegen nutzen die jungen Männer die Chance, sich in Deutschland ein neues
Leben aufzubauen. Lucy Knollmeier, Koordinatorin der PASCH-Initiative in Beira, hat vor Ort die Organisation übernommen, die Bewerber ausgewählt und sich um den „Papierkram“ gekümmert.
Ein vierwöchiges Praktikum vorab ermöglichte ein erstes Kennenlernen. Sowohl die Unternehmen als auch die jungen Mosambikaner waren begeistert – das Feedback fiel laut Verband auf beiden Seiten
positiv aus. Neben den fachlichen Einblicken, die die Unternehmen mithilfe der BBS Ahaus und der Berufskollegs in Ahaus und Borken ermöglichten, standen auch Freizeitaktivitäten wie ein
Stadionbesuch bei Borussia Mönchengladbach auf der Agenda.
Start der Ausbildung in Deutschland
Inzwischen arbeiten die sechs jungen Männer aus Mosambik in ihrer neuen Heimat und wohnen in Ahaus und Borken in zwei Wohngemeinschaften. Neben der Ausbildung auf dem Bau steckten sie laut
Verband vor allem viel Energie in die Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse. Im ersten Ausbildungsjahr absolvierten sie statt des Berufsschulunterrichts intensive, gemeinsam mit dem Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) organisierte Sprachkurse.
Für die Integration im Alltag sei zudem die Unterstützung durch die deutschen Kollegen besonders wichtig. „Da reagiert man dann auch mal abends auf eine WhatsApp-Nachricht, wenn der Azubi
schreibt, dass sein Fahrrad kaputt ist“, erzählt Jannik Wißing von der Firma Temmink Bau in Vreden. So vermische sich Privates und Berufliches mitunter etwas, aber ohne den persönlichen Einsatz
würde die Integration einfach nicht funktionieren. Auch die Mitarbeitenden beim Bauverband hätten eigentlich andere Tätigkeiten – sähen jedoch vor allem das große Potential dieses Ansatzes. Noch
sei bisher wenig etabliert und es bleibe viel zu tun. Aber Maike Rödelbronns erstes Fazit lautet: „Es bleibt spannend. Der Erfolg steht und fällt mit dem Einsatz aller einzelnen treibenden Kräfte
und dem persönlichen Engagement!“
Ausblick
Seit Inkrafttreten des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetztes (FEG) im März 2024 könnten die Bewerber bereits eher ins Land kommen und zu Beginn 20 Stunden als Hilfsarbeiter mit Mindestlohn
arbeiten und gleichzeitig Sprachkurse besuchen. Noch zögerten viele Unternehmen eher, das Risiko und den finanziellen und zeitlichen Invest einzugehen – diese sechs guten Beispiele könnten laut
Rödelbronn auf jeden Fall dazu beitragen, weitere Unternehmen vom Erfolg zu überzeugen.
„Man muss mit kleinen Projekten starten und schauen, wie sich das Ganze entwickelt – der Aufwand wird dauerhaft auf jeden Fall geringer und der Nutzen mehr und mehr erkannt. Mittlerweile
erreichen uns zahlreiche Anfragen von Unternehmen“, schaut Maike Rödelbronn optimistisch in die Zukunft.
Die sechs beteiligten Unternehmen aus dem Kreis Borken:
Text: Kerstin Schmitt | Foto: Bauverbände NRW