Wer sich kümmert, wird mit der Integration von Flüchtlingen erfolgreich sein
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Azubis für einen nahezu unbekannten Ausbildungsberuf zu finden: Dieser Herausforderung stellt sich der Dülmener Glasbiegebetrieb FINIGLAS in jedem Jahr. Das Tochterunternehmen der SEMCO-Unternehmensgruppe ist eines von drei Unternehmen in Deutschland und fünf in ganz Europa, die Architekturglas für Fassaden, Brüstungen, Treppengeländer oder Überkopfverglasungen biegen. Flachglastechnologin bzw. Flachglastechnologe heißt der Ausbildungsberuf, der bei FINIGLAS in der Produktion gefragt ist.
Azubis sind im Nischenberuf doppelt wichtig
„Für uns war es schon immer eine Herausforderung, Azubis zu finden. Manchmal mussten wir Ausbildungsplätze unbesetzt lassen, weil es nicht genügend Bewerbungen gab. Neben handwerklichem Geschick ist auch eine gewisse körperliche Belastbarkeit Voraussetzung für den Beruf“, erklärt Ausbildungskoordinator Mirko Heeringa. „Da wir für diesen Nischenberuf kaum Arbeitskräfte auf dem freien Markt finden, sind die Azubis doppelt wichtig, haben bei uns aber auch eine super Zukunftsperspektive. Die speziellen Fertigkeiten und Kenntnisse, die für die Bearbeitung von gebogenem Glas benötigt werden, müssen wir vor Ort im Betrieb vermitteln.“
2018 suchte FINIGLAS deshalb nach neuen Zielgruppen und nahm Kontakt zur Agentur für Arbeit Coesfeld auf. Die dortigen Mitarbeiter schlugen den 23-Jährigen Ibrahima vor. Er war ein Jahr zuvor aus Guinea nach Deutschland gekommen, belegte Sprachkurse und besuchte das Oswald-von-Nell-Breuning-Berufskolleg. Nach einem Praktikum bei FINIGLAS war klar: Es passt! Nach seinem Hauptschulabschluss im Juli 2019 begann Ibrahima zum 1. August die Ausbildung zum Flachglastechnologen, die er in diesem Sommer erfolgreich abgeschlossen hat und beim Wettbewerb „Azubi des Jahres“ unter den rund 100 SEMCO-Azubis sogar den ersten Platz belegte.
Azubi vermittelt Azubi
Jetzt arbeitet Ibrahima als Geselle bei FINIGLAS – und hat einen neuen Azubi an das Unternehmen vermittelt: Aboubaca. Er stammt ebenfalls aus Guinea und hat auch durch ein Praktikum bei FINIGLAS absolviert und konnte dabei überzeugen. „Beide sind ein großer Gewinn für unser Unternehmen“, sagt Heeringa. Aufgrund der Sprachkenntnisse habe es anfangs eine gewisse Skepsis unter den Beschäftigten gegeben – vor allem bei der Arbeitssicherheit, da schwere Glasscheiben zu zweit getragen werden müssen und schnelle Reaktionen und Absprachen nötig sind. „Aber diese Bedenken haben sich schnell zerschlagen. Beide sprechen mittlerweile sehr gut Deutsch und haben auch freiwillig in den Ferien an Sprachkursen teilgenommen.“
Aboubaca erhielt zudem anfangs Nachhilfe über das Unternehmen. „Ein solches Engagement ist nicht nur für die Geschäftsführung selbstverständlich“, führt Heeringa aus. „Besonders die Produktionsleitung kümmert sich intensiv um die Azubis, gibt Hausaufgaben auf und unterstützt beim Spracherwerb. Die anderen Kolleginnen und Kollegen haben Ibrahima und Aboubaca ebenfalls schnell in ihre Gemeinschaft aufgenommen und unterstützen auch im privaten Bereich – etwa bei der Wohnungssuche, beim Umzug oder dem Weg zur Arbeit.“ Da der Berufsschulunterricht in Blockform in der Nähe von Bonn stattfindet, übernimmt FINIGLAS zudem die Unterbringungskosten und die Kosten für die wöchentliche Heimreise.
Auch Aboubaca wird nach seinem Ausbildungsabschluss im Sommer 2023 als Geselle übernommen. „Unser Fazit ist: Unter den Geflüchteten gibt es viele motivierte und engagierte potentielle Mitarbeiter. Ziehen alle beteiligten Akteure und Behörden an einem Strang und kümmern sich, wird es ein Erfolg“, so Mirko Heeringa.
https://karriere.semcoglas.com/de/jobs
Text: Sabrina Becker | Fotos: Initiative Hey Dülmen